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Himmel und Hölle

Die Drittligadamen des MTV 1860 Altlandsberg haben die möglicherweise vorentscheidende Partie gegen den TSV Wattenbek nicht verloren. Sie haben sie aber auch nicht gewonnen. Das 29:29 nützt dem MTV ein wenig mehr als dem TSV, wenn auch längst nicht so nachhaltig wie der von beiden Seiten erhoffte Sieg. Der Weg dahin glich dennoch einer Achterbahnfahrt und geriet für die Fans beider Lager zum Nervenstresstest.

Sofort nach Abpfiff der Partie stellte sich allen Beteiligten die ewig klassische Frage in Folge einer Punkteteilung: Ist es ein gewonnener oder ein verlorener Zähler? Zumal im Handball, wo es wirklich nicht einfach ist unentschieden zu spielen, geschweige denn auf unentschieden zu spielen. Der Blick auf die Tabelle lässt eher auf einen verlorenen Punkt schließen. Denn Wattenbek steht nach der Begegnung dort, wo es auch vor der Begegnung stand: mit einem Punkt Vorsprung vor dem MTV und der MTV einen Rang vom ersten Nichtabstiegsplatz entfernt. Gemessen daran aber, dass Wattenbek auch drei Punkte Vorsprung haben könnte, sieht die Sache nicht mehr ganz so dramatisch aus. Außerdem geht mit diesem Remis der direkte Vergleich zwischen MTV und TSV, nach dem bei Punktegleichstand die Tabelle berechnet wird, endgültig an den MTV. Sollten die beiden Teams am Ende also Punktegleichstand aufweisen, werden die Altlandsbergerinnen vor den Mädels aus Wattenbek stehen.

Die Partie selbst lässt sich dabei ziemlich exakt in vier Abschnitte einteilen: Von der 1. bis zur 12. Minute. Von der 12. bis zur 28. Minute. Von der 29. bis zur 43. Minute. Und schließlich von der 44. Minute bis zum Abpfiff.

Die Grün-Weißen begannen ansehlich, druckvoll, mit temporreich vorgetragenen und vor allem erfolgreich abgeschlossenen Angriffen, führten in der 7. Minute mit 5:3 und fünf Minuten später immer noch mit 8:6. Alles sah gut aus, bemerkenswert gut sogar. Nichts deutete darauf hin, dass die Altlandsbergerinnen hier irgendwie unter die Räder geraten könnten…

… abgesehen vom weiteren Spielverlauf. Denn fortan und aus für wahrscheinlich alle Beteiligten unerfindlichen Gründen ließ der MTV plötzlich etwas nach, wurde vor allem in den Abschlüssen ineffektiver und in der Abwehr durchlässiger. Logische Folge: Die Wattenbeker Mädels spürten den Aufwind, holten auf und glichen – übrigens vor den Augen und mit Unterstützung des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther – mehrfach aus. Das Prä wechselte mal hin und mal her. Das ging bis zum 12:12 in der 28. Minute so.

Dann griff der Wattenbeker Trainer zur Grünen Karte und man muss ihm attestieren, aus diesem taktischen Mittel das meiste heraus geholt zu haben. Denn während die kleine Schar Altlandsberger Fans sich gerade mit dem Gedanken angefreundet hatte mit einem Gleichstand in die Pause zu gehen, warfen die Gastgeberinnen in den verbleibenden 150 Sekunden drei Tore in Folge. Plötzlicher Pausenstand: 15:12. Und dass das kein Unfall war, erwies sich, aus Altlandsberger Sicht leider, mit Beginn der zweiten Halbzeit. Während die Gästinnen sich zunehmend planlos in Richtung Wattenbeker Tor bewegten, keinen erkennbaren Angriffsplan offenbarten und Abschlüsse anboten, die dies nur dem Namen nach waren, hatten die Gastgeberinnen endgültig Aufwind, nutzten die Lücken in der Altlandsberger Abwehr ebenso mitleidslos wie konsequent und bauten ihre Führung bis zur 43. Minute auf sage und schreibe sieben Tore aus (23:16). Zu diesem Zeitpunkt glaubte wohl niemand in der Halle an etwas anderes als an einen Triumph des TSV.

So urplötzlich aber wie sie damit aufgehört hatten, begannen die MTV-Damen wieder richtig Handball zu spielen. Alles fahrige und ungefähre, das ihr Spiel bis dahin so unansehlich hatte werden lassen war wie weggeblasen. Plötzlich waren wieder Tempo und Präzision, geschickter Spielaufbau, erkennbare Spielzüge und vor allem teilwesie wunderschöne Abschlüsse an der Tagesordnung. Und hinten war es ebenso plötzlich nicht mehr allein den Altlandsbergerinnen Torhüterinnen zu danken, dass nicht jeder gegnerische Angriff einen Treffer ergab. Das Publikum auf beiden Seiten erlebte mit, wie der MTV Tor um Tor aufholte und in der 28. Minute tatsächlich zum 28:28 ausglich. Entsetzen auf Wattenbeker, Extase auf Altlandsberger Seite. Beinahe, beinahe hätten die Grün-Weißen sogar noch gewonnen, dürfen sich aber angesichts des Spielverlaufs über das 29:29 am Ende nicht beklagen, sondern sich mit Fug und Recht über diese Leistungsexplosion freuen.

So sah es auch MTV-Coach Sebastian Grenz: “Natürlich ist es bedauerlich, dass wir nicht gewonnen haben. Bedenkt man aber wie nahe wir hier an einer Niederlage gestanden hatten, überwiegt bei mir die Freude, einen Punkt gerettet zu haben und der Stolz auf meine Mannschaft selbst angesichts einer Sieben-Tore-Führung unserer Gegnerinnen nicht aufgesteckt zu und dieses Match in der letzten viertel Stunde beinahe noch gedereht zu haben.” Das Fazit blieb, ungleich prosaischer, Team-Manager Wolfram Eschenbach vorbehalten: “Die Entscheidung ist vertagt!”

MTV:

Elia García Canabate (Tor), Yania Silva Alfonso (Tor), Tülay Bayram 2, Manja Berger, Josephine Dähne, Ann-Catrin Höbbel 10/4, Sophia Mattisseck, Bernadet Mudri, Christine Miniers 2, Martyna Rupp 5, Vanja Smiljanic 1, Marlene Steffen, Tina Stehlik 2, Lucyna Trczcak 7/2.

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